BUSY FINGERS (1) – Heft 08/‘96  

Dass sich die Beschäftigung mit dem Boogie offenbar einer recht großen Beliebtheit erfreut, ist eigentlich kein Wunder, denn der Boogie ist die solopianistische Spielart des Blues schlechthin. Wenn man den Begriff weniger auf Stilistik, sondern mehr auf musikalische Substanz und spieltechnische Besonderheiten bezieht, verbergen sich dahinter eine Menge interessanter Herausforderungen auch für Pianisten mit anderen Ambitionen. Aus dieser Sicht würde ich z. B. Stücke wie B-B-BLUE (Heft 4/95) und vergleichbare Songs mit dem Boogie in einen Topf werfen, obwohl man es hier in stilistischer Hinsicht vielleicht eher dem Rhythm & Blues zu tun hat.

Da es nach den vielen Drills der letzten Workshops vorwiegend für die rechte Hand nun an der Zeit ist, dass auch die linke Hand mal ordentlich was zu tun bekommt, ist ein Boogie in traditioneller Manier dafür genau das Richtige. Bei der Notation habe ich mich im Interesse der besseren Lesbarkeit für die punktierten Achtel mit Sechzehntel entschieden. Ansonsten würde ich diese Art der vereinfachten Darstellung der ternären Interpretation lieber vermeiden, da sie in rhythmischer Hinsicht, insbesondere bei fehlendem Interpretationshinweis, als Falschaussage gefährlicher ist, als die Achtel-Darstellung. Bei einem eventuellen Missverständnis ist nämlich eine binäre Interpretation immer noch leichter zu ertragen, als „wörtlich genommene“ punktierte Achtel plus Sechzehntel. Einzige Ausnahme dafür bilden ein paar Grooves aus dem Bereich des Folk Blues, wo insbesondere von den Drums her eine besonders eckige Spielweise, die der hier verwendeten Notation sehr nahe kommt, zum guten Ton gehört.

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Wegen der Möglichkeit bzw. Notwendigkeit, für das Stück einige Vorübungen zu absolvieren, ist in den Notenbeispielen 3 und 4 die linke Hand gesondert dargestellt.

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Es handelt sich ohnehin um ein Begleitmuster, das auch unabhängig von diesem Thema stets für Boogie-Improvisationen in Frage kommt. Zu einem späteren Zeitpunkt werde ich eine kleine Sammlung solcher Boogie-Patterns für die linke Hand zusammenstellen. Für den Fall, dass Figuren wie diese hier im ersten Moment zu schwer sind, kann man sie dann (in gewissen Grenzen beliebig) gegen eine andere austauschen.

Das größte handwerkliche Problem dürfte die Unabhängigkeit darstellen, mit der die linke Hand ihre Arbeit verrichtet, während mit der rechten Hand improvisiert wird. Beide Hände für sich sind da unverhältnismäßig leichter zu bewältigen. Aber gerade deswegen ist das langsame und gleichzeitige Erarbeiten beider Hände der beste Weg, die motorischen Abläufe unter Kontrolle zu bekommen.

Die Beschäftigung mit dem in den Notenbeispielen 1 und 2 vollständig dargestellten Thema des Stückes ist da wohl der geeignete erste Schritt in diese Richtung. Somit steht gleichzeitig einer vollständigen Interpretation mit eigenen Improvisationen nichts mehr im Wege. Und der Hinweis darauf, dass im nächsten Beitrag noch zwei Bluesstrophen Beispiel-Improvisation abgebildet sein werden, sollte kein Grund sein, sich bis dahin zu gedulden.

 

© 1996 by Wolfgang Fiedler